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NEUNUNDACHTZIG

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89 bröckelte die Mauer
waren 17 Millionen Menschen plötzlich frei
da jubelte der Arbeiter der Bauer
der Volksarmist der Wissenschaftler selbst die Polizei
endlich war es wieder einig
das geliebte deutsche Vaterland
nur manch Verwandtschaft war uns plötzlich peinlich
man hatte sich halt vorher nicht gekannt

nun ging es erst mal ran ans konsumieren
von Dingen die wir weder kannten noch gekriegt
man ließ sich von der Werbung gern verführen
und erfuhr dass es an jedem Tag alles zu kaufen gibt
wir lernten aus der Büchse trinken
und wie man Packungen und Dosen öffnen kann
merkten dass die Trabbies wirklich stinken
und schafften uns nen richtigen Wagen an

die Mauer fiel doch manch andres Gemäuer
war nun gerettet vor dem Untergang
ums zu bezahlen erfand man Solisteuer
man baute und sanierte voller Tatendrang
das Grau in grau erhielt nun endlich Farbe
nur einiges geriet dabei zu bunt
der Aufbau Ost war erste Staatsaufgabe
das tat man uns zu jedem Wahlkampf kund

so mancher Beruf war plötzlich überflüssig
so mancher Mensch ward fortan nicht gebraucht
und wer des Gammelns allzu überdrüssig
hat die Heimat gegen bessere Perspektive eingetauscht
wer hier blieb musste sich verkaufen
so gut es ging als das was grad gebraucht
als Politesse durch die Straßen laufen
oder als Händler hoffen dass dir wer was abkauft

ja 89 änderten sich die Zeiten
für 17 Millionen Menschen rigoros
dass das Not tat wird kaum jemand bestreiten
doch auch Liebgewordenes sind wir seit dem los
aber nichts auf was wir so verzichten
ist die gewonnene Freiheit halbwegs wert
man kann die luftigen Brötchen ja verdichten
falls beim kauen das Zischen zu sehr stört